Was würde passieren, wenn man wegen Suizidalität in die Psychiatrie eingewiesen wird u. sie partout beibehält?

4 Antworten

Die Entscheidung, Suizid zu begehen, ist in der Regel nicht das Ergebnis einer rationalen Überlegung. Bis heute habe ich mich mit diesem Thema auseinandergesetzt, nicht nur aufgrund meiner psychischen Erkrankung, sondern auch weil ich erkannt habe, dass bestimmte Aspekte des Lebens nicht vollständig erklärbar sind. Zudem bleibt die Frage offen, ob ein Leben unter diesen Umständen tatsächlich als lebenswert empfunden werden kann.

Ja, sie haben die Möglichkeit, Sie so lange dort zu behalten, wie es ihrer Einschätzung entspricht. Im ersten Schritt dient dies lediglich dem Erhalt.

Die Palliativtherapie bezieht sich auf die Unterstützung von Patienten in der letzten Lebensphase, insbesondere bei schweren, fortschreitenden Erkrankungen, die nicht mehr behandelbar sind und in der Regel zu einem tödlichen Ausgang führen.

Es ist von entscheidender Bedeutung, zwischen nicht therapierbaren und therapieresistenten Patienten zu differenzieren. Patienten, die als nicht therapierbar gelten, zeigen oft eine Ablehnung, sich auf therapeutische Maßnahmen einzulassen, während therapieresistente Patienten trotz der Therapie keine signifikante Besserung erfahren.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Betroffene, Hilfeleistung gestellt, persönliche Erfahrungen

Ich glaube schon, dass bei bestehender Suizidalität der Aufenthalt verlängert wird. Ob es da irgendeine Obergrenze gibt, weiß ich nicht.

Aber ich würde gerne auf einen anderen Punkt eingehen:

sondern auf rationalen Erwägungen beruht.

Das gibt es eigentlich nicht. Es geht bei Suizidalität immer um gefühlte Dinge, um gefühlte Ausweglosigkeit, um gefühlte Hoffnungslosigkeit, um das Gefühl, dass das Leben nicht lebenswert sei. Das hat mit Rationalität wenig zu tun (aber es hat grundsätzlich im menschlichen Handeln vieles nichts mit Rationalität zu tun, weil an irgendeinem Punkt immer subjektive Wertsetzungen ins Spiel kommen).

Selbst wenn ein Manager entscheidet, einen Laden aufgrund schlechter wirtschaftlichen Einkünfte zu schließen, so ist das keine zu 100% rationale Entscheidung, da dahinter ein Wert steht, der "gefühlt" ist. Der Wert ist: Es ist wichtig, keine Verluste zu machen, kein Geld zu verlieren. Dieser Wert ist nicht selbstverständlich. Eine andere Person könnte z.B. in der Situation Verluste in Kauf nehmen, weil ihm / ihr die Angestellten so am Herz liegen und weil er denkt, dass er das mit seinem umfangreichen Privatvermögen auffangen kann.

Und so ähnlich ist es mit Suizidalität. Eine Person denkt, das Leben ist nicht lebenswert, weil es nicht x enthält (keine Chance auf eine Partnerin oder beruflichen Erfolg z.B.). Das ergibt nur Sinn, wenn Du diese subjektive Wertsetzung teilst. Es gibt aber auch Menschen, die mit Partnerlosigkeit kein Problem haben oder denen beruflicher Erfolg am Arsch vorbeigeht. So gesehen glaube ich nicht an eine "rationale Suizidalität", weil an irgendeinem Punkt Wertsetzungen eine Rolle spielen.

Und wo das so ist, gibt es psychologische Variabilität, d.h. die Möglichkeit, die Dinge anders zu sehen, andere Wertsetzungen vorzunehmen.

Und du scheinst auch ein Konzept von psychischen Krankheiten zu haben, als hieße das, dass man nicht zurechnungsfähig sei, weil Du Rationalität und psychische Krankheiten wie zwei Gegensätze gegenüberstellst. Diese Gegenüberstellung würde ich so nicht vornehmen. Psychische Krankheiten sind nicht zwangsläufig irrational. Der Kern einer psychischen Krankheit ist, dass es dysfunktionales Erleben oder Verhalten ist, dass Dir schadet, in dem es DIch einschränkt oder Leid verursacht.

Man kann z.B. legitim und begründet sich sehr viele Gedanken zum Ukraine-Krieg machen und tagein tagaus News konsumieren. Das kann ein dysfunktionales Verhalten sein (da es die Stimmung drückt, da man wichtige alltägliche Sachen nicht mehr hinkriegt), auch wenn es "rationale Gründe" gibt, warum man das macht (um informiert zu sein, weil man da vielleicht Familie hat, weil man vielleicht in irgendwelchen Projekten rund um den Ukraine-Krieg involviert ist).

Diese Gegenüberstellung funktoniert also meiner Meinung nach so nicht.


Dokkalfar 
Beitragsersteller
 22.09.2024, 14:36

An zwei Stellen muss ich dir widersprechen:

Ich fange unten mit dem weniger komplizierten an: Nein, ich stelle keine Polarität zwischen Zurechnungsfähigkeit u. psychischer Krankheit her. Mir geht es darum, dass die Gesellschaft u. du leider auch dies offenkundig tust, denn du schreibst ja auch, dass eine Suizidalität niemals auf rationalen Überlegungen beruhen könne.

Damit komme ich auch zum zweiten Punkt: Du schreibst, dass ein Manager die u. die Entscheidung über seinen Laden trifft, die aber falsch sein könnte, einmal objektiv u. einmal aufgrund subjektiver Vorstellungen. In der Politik treffen die Menschen ebenfalls Wahlentscheidungen, die aber falsch sein könnten, einmal objektiv u. einmal aufgrund subjektiver Vorstellungen. Würdest du deshalb hingehen u. die Demokratie abschaffen? Wohl kaum.

Also bitte, wenn du schon nicht die rationalen Gründe f. einen Suizid annimmst, dann pathologisiere doch bitte nicht auch noch dein Gegenüber bzw. versuche deine Meinung f. allgemeingültig zu erklären. Das ist sie gerade objektiv nämlich nicht, im Gegenteil. Nur subjektiv hast du die Überzeugung, dass dein Leben etwas wert sei. Das ist mir offen gestanden egal, von mir aus kannst du weiterleben. Aber warum willst du jemanden daran hindern, nicht weiter zu leben, wenn er dies nicht möchte, bzw. bist dafür, dass er keine Sterbehilfe bekommt?

blechkuebel  23.09.2024, 02:00
@Dokkalfar
Mir geht es darum, dass die Gesellschaft u. du leider auch dies offenkundig tust, denn du schreibst ja auch, dass eine Suizidalität niemals auf rationalen Überlegungen beruhen könne.

Du verstehst mich in dem Punkt nicht richtig. Ich sage nicht nur, dass Suizidalität nicht auf rationalen Überlegungen beruht, ich sage vielmehr, dass keine Entscheidung, die Menschen treffen, auf rationalen Überlegungen beruht. Rationalität ist aus meiner Sicht eine Fiktion. Das wollte ich auch mit meinem Beispiel des Managers ausdrücken.

Rationalität ist im wesentlichen die Angabe von Gründen für eine bestimmte Entscheidung. Aber wenn Du die Gründe untersuchst, ob Du sie valide findest oder nicht, dann wirst Du feststellen, dass da eigentlich immer subjektive Wertsetzungen hinterstehen. Und die Gründe valide zu finden oder nicht, das ist halt das subjektive, was jeder angeblich objektiven Entscheidung zugrunde liegt.

Z.B. mag es "rational" sein, einen Handyvertrag zu kündigen und einen anderen zu nehmen, weil er günstiger ist. Das setzt aber voraus, dass Dir wichtig ist, Geld zu sparen: Das heißt Du machst da eine Wertsetzung. Diese Wertsetzung ist nicht selbstverständlich. Eine andere Person könnte entscheiden: Geld sparen ist mir nicht wichtig, ich bin froh, wenn ich den Aufwand des Vertragwechsels nicht habe.

Ich bin viel radikaler als dass ich nur sage: Suizidalität ist nicht rational.
Nichts ist rational. Das ist einfach nur eine Fiktion, um sich gegenseitig von bestimmten Entscheidungen zu überzeugen ("diese Entscheidung ist besonders rational, deswegen sollte sie jeder so treffen").

Daraus folgt: Überall, wo es wichtige Entscheidungen zu treffen gibt, gibt es psychologische Variabilität, d.h. die Möglichkeit, die Dinge anders zu sehen, andere Dinge wichtig zu finden.

Würdest du deshalb hingehen u. die Demokratie abschaffen?

Kann Dir nicht folgen, was meine Aussagen überhaupt mit Demokratie zu tun haben.

Also bitte, wenn du schon nicht die rationalen Gründe f. einen Suizid annimmst, dann pathologisiere doch bitte nicht auch noch dein Gegenüber bzw. versuche deine Meinung f. allgemeingültig zu erklären.

Ich checke nicht, inwiefern ich pathologisiere. Eigentlich entpathologisiere ich eher. ich sage ja: Menschen mit psychischen Störungen sind zurechnungsfähig und können gute Gründe für ihr Handeln haben, schaden sich aber trotzdem selbst oder leiden massiv, und das überwiegt diese Gründe. Und deswegen brauchen sie Hilfe.

Pathologisierend ist ja gerade der Gegensatz zwischen Rationalität und psychischer Gestörtheit. Den lehne ich ja ab.

versuche deine Meinung f. allgemeingültig zu erklären

Wo mache ich das? Ich kann dieser Aussage nicht folgen.

Nur subjektiv hast du die Überzeugung, dass dein Leben etwas wert sei.

Das ist richtig. Genauso wie ein Suizidaler subjektiv die Überzeugung hat, dass sein Leben wertlos sei. Es gibt da keine objektive Überzeugung. Es gibt lediglich subjektive Überzeugungen und die Frage, was ein Mensch braucht, was ihm oder ihr gut tun würde. Und das kann etwas Anderes sein als das, wovon die Person subjektiv überzeugt ist.

Aber warum willst du jemanden daran hindern, nicht weiter zu leben, wenn er dies nicht möchte, bzw. bist dafür, dass er keine Sterbehilfe bekommt?

Will ich gar nicht. Ich finde, das ist ein schwieriger Bereich / ein Spannungsfeld. Sterbehilfe finde ich problematisch, insbesondere aktive.

Man weiß z.B. dass es in suizidalen Krisen psychologisch eine kognitive Einengung gibt, dass in einer suizidalen Krise ein wirkliches Durchdenken der Gründe schwierig ist, weil die Leute sehr auf den Suizid fokussiert sind. Das schränkt die vermeintliche Rationalität z.B. ein.

Zweitens würde ich gerne Statistiken dazu ansehen, wie viele, die einen Suizidversuch überlebt haben, im Nachhinein froh sind, gehindert worden zu sein. Das könnten sehr viele sein.

Und dann ist man in einem ehtischen Dilemma: was ist im besten Interesse der suizidalen Person? Dass man sie aus der kognitiven Einengung herausholt oder auf Basis der Statistiken für sie entscheidet, dass es wahrscheinlic gut für sie ist, gerettet zu werden? Oder wiegt der Selbstbestimmungsaspekt höher?
Ich habe darauf keine eindeutige Antwort.

Dokkalfar 
Beitragsersteller
 23.09.2024, 12:10
@blechkuebel

Danke für den ausführlichen Beitrag. Dann haben wir uns gegenseitig teilweise missverstanden.

Wo ich dir widersprechen muss ist, dass du sagst, dass der Schaden/Schmerzen, die jemand sich willentlich zufügt, seine Gründe dafür überwiegen. Dem stimme ich so ausdrücklich zu. Magersüchtige Menschen oder solche mit SVV sind dringend behandlungsbedürftig. ABER: Suizidenten wollen sich ja nicht wehtun, sie müssen es, um sterben zu können, weil sie eben keine Hilfe zum schnerzfreien Sterben bekommen. Der Tod selbst ist kein Schaden, sondern eine Erlösung.

Was würde passieren, wenn man wegen Suizidalität in die Psychiatrie eingewiesen wird u. sie partout beibehält?

Eine grundsätzliche Höchstdauer der Unterbringung gibt es nicht.

Die langfristige Lösung wäre daher eine Einzelfallentscheidung, welche die behandelnden Ärzte und das zuständige Gericht zu treffen haben.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Notfallsanitäter, Blogger, Medizinstudent

Wer sowas ausdrücklich sagt, obwohl er auch einfach entlassen werden könnte, um sich dann umzubringen, der hat wahrlich Anrecht auf besonderen Schutz.