Warum hat Familie einen so niedrigen Stellenwert bei Deutschen?

13 Antworten

Vom Beitragsersteller als hilfreich ausgezeichnet

Du wirst vermutlich hier bei manchen anecken aber da muss ich dir Recht geben.

Ich bin aus Kroatien und wenn man sich mal mit deutschen oder österreichischen Freunden treffen möchte, dann geht das auf Termin (Tag + Uhrzeit) wie bei einem Arzt.

Bei uns ist es üblich kurz anzurufen und zu fragen ob man Zuhause ist und Besuch empfängt, ob man selbst kommen möchte oder Lust hat was zu unternehmen.

Was man so hier liest oder erlebt ist unfassbar und gleicht keiner Familie. Oma verklagen wegen einem Handy, Familie anzeigen, usw. das gibt es bei uns nicht.

Auch bei Hilfe fragt niemand ob man Hilfe braucht, man hilft einfach. Bei Geld genauso, wir fragen nicht ob man Geld braucht, wenn man sieht, dass jemand in einer gewissen Notlage ist, dann wird einfach Geld zugesteckt und wir wollen es nicht zurück haben.


GuineapigO 
Beitragsersteller
 20.08.2024, 11:58

Ja genau das fühle ich auch komplett. Gerade das mit dem Geld. Notlage ist Notlage und ich bekomme oft mit das Freundinnen von mir da wenn überhaupt mal von ihren Eltern Hilfe bekommen und dann mit Vorwürfen. Die restliche Familie würde nichtmal helfen wenn sie Obdachlos wäre. Bei uns helfen alle, also auch Tante, Onkel etc. Südländer sind da wohl echt einfach loyaler.

  1. sich gegenseitig zu helfen ist hier auch normal. allerdings ist Geld für viele ein heikles Thema, das man mit niemandem bespricht. man spricht daher auch eigene Geldprobleme nicht an. ist aber nicht bei allen so.
  2. auch in DE, CH und AT werden die Familien oft besucht. und dass man nicht einfach vorbei kommt hat was mit Anstand zu tun. kann ja sein, dass ich gerade schon Besuch habe oder keine Energie habe, um besuch zu empfangen oder dass ich gar nicht zuhause bin oder, oder, oder... und dass man irgendwann auch müde ist und gerne hätte, dass die Gäste gehen finde ich auch nicht unfreundlich. man hat eben nicht endlos Energie. wirklich rausgeschmissen wird aber niemand. man macht nur mal Andeutungen, dass man vielleicht bald mal zu Bett gehen will.
  3. Väter und Brüder haben kein recht darauf, über die Beziehungen ihrer Weiblichen Familienmitglieder zu bestimmen. wenn jemand in einer Beziehung ist, die scheinbar schlecht für die Person ist, dann wird das angemerkt und die Sorge darum zum Ausdruck gebracht. alles, was darüber hinaus geht ist unverhältnismässig bevormundend. auf jemanden zu Achten bedeutet nicht, sich übermässig in jemandes Angelegenheiten ein zu mischen, sondern Trost und Halt zu bieten, wenn was schief läuft und sorgen zum Ausdruck zu bringen, die man hegt. genau so wird das auch gemacht.
  4. dass Kinder "früh" ausziehen hat nichts damit zu tun, dass die Eltern sie nicht mehr bei sich haben wollen ( klar kommt das auch vor, aber dass ist überall so) sondern zeigt einfach, dass die Personen bereit für ein eigenständiges leben sind. und nur, weil man von zuhause aus zieht bedeutet das nicht, dass man plötzlich alles alleine managen muss. man hat nach wie vor den Rückhalt der Familie, kann sich bei Fragen oder Problemen an die Eltern wenden und auf deren Hilfe Zählen. sich eine eigene Wohnung zu suchen ist ein normaler Teil des erwachsen Werdens und ein wichtiger schritt zur Selbstständigkeit als Mensch.

ich stimme dir also nicht zu, dass deutsche weniger wert auf Familie legen als andere, nur weil sie anders leben, als du denkst, dass sie es müssten.

Um mich selbst mal als Beispiel zu nehmen: ich bin mit 18 von zuhause aus gezogen und habe mir mit meinem Partner eine gemeinsame Wohnung gesucht. nicht, weil meine Mutter mich nicht mehr zuhause haben wollte, sondern weil es besser zu unseren Lebensumständen gepasst hat. wenn es in der neuen Wohnung Probleme gab ( etwas defekt war und wir nicht weiter wussten, jemand krank war und man nicht sicher war, welches Hausmittel helfen kann oder so) konnte (und kann ich noch) ich jederzeit meine Mutter anrufen. auch nachts um halb 3. ich sehe meine Mutter und meine Schwester zwar nur etwa einmal im Monat, aber trotzdem stehen wir uns nahe. und hätten sich meine männlichen Verwandte ( übrigens seltsam dass du glaubst, Männer müssten sich um die Frauen der Familie kümmern und umgekehrt gäbe es so eine Verantwortung nicht) so um mich und meine Beziehungen "gekümmert" wie du der Ansicht bist, dass es sich gehört, wäre ich unterdessen nicht seit über 8 Jahren glücklich mit meinem Partner.

Was ich sagen will: es gibt nicht nur (d)einen richtigen Weg, wie man sich in einer Familie zu verhalten hat. nur weil andere Familien nicht so sind wie deine, sind sie längst nicht schlechter.

Das ist mir auch schon aufgefallen, auch bei anderen Dingen, nicht nur die, die du aufgelistet hast.

Warum das bei den meisten (betone meisten - nicht alle) so ist, weiß ich nicht. Kultur, Erziehung usw sind halt von Land zu Land verschieden. Dann legen sie auf andere Sachen Wert.


GuineapigO 
Beitragsersteller
 20.08.2024, 11:31

Danke, deine Beispiele würden mich auch interessieren. Lg

Gegenseitige Hilfe

Ja, das ist auch bei Deutschen normal. Auch wenn man es dir als Außenstehenden vielleicht nicht immer auf die Nase bindet. Und warum die Familie deiner Freundin ihr kein Geld hinterher werfen will, wird seine Gründe haben und die muss dir keiner extra erklären.

Deutsche besuchen sich...

Ist bei manchen so, bei manchen anders. Genauso wie es bei "Ausländern" bei manchen so ist und bei manchen anders. Versuch mal bei einem Schweden "Spontan" vorbei zu kommen... das wäre dann das letzte mal.

Deutsche Väter und Brüder achten ...

Na Gott sei dank tun sich das nicht. Deutsche Frauen lassen sich nämlich nicht mehr permanent bevormunden und das ist auch richtig so. Das hat nichts mit "die achten da nicht so drauf" zu tun sondern damit, dass man den deutschen Mädchen durchaus durch ihre Erziehung zutraut selbst zu erkennen mit wem sie befreundet sein sollten und mit wem nicht.

Generell das man in der Familie aufeinander achtet.

Und wieder hat ein Auszug bzw Umzug (ins Heim) nichts mit "nicht aufeinander achten" zu tun sondern einfach mit gegenseitigem Respekt und der Achtung anderer Lebensumstände.

Weil es jedem zusteht sein Leben so zu leben wie es einem gefällt.

Ausziehen und ein gutes Verhältnis zum Elternhaus schließen sich nicht aus.

Auch eine Schwester oder Tochter hat das Recht selbst über ihr Leben und ihre Beziehungen entscheiden zu können. Völlig unabhängig, ob es dem großen Bruder oder dem Vati gefällt. Es ist IHR Leben und IHRE Erfahrung.

Geld. Man hilft wo man kann WENN man sich in einer Notlage befindet. Jeder ist aber letztendlich für sich selbst verantwortlich und hat dafür zu sorgen, dass man seinen Lebensunterhalt selbst bestreiten kann.

Es ist kein Problem sich anzukündigen. Hat was mit Gastfreundschaft zu tun. Wenn ich bräsig auf dem Sofa penne hab ich keine Lust auf Besuch um den ich mich dann nicht entsprechend und wie er es auch verdient kümmern zu können. Unser Haus hat eine Tür, die ich nach meinem belieben auch verschließen kann und darf.

Pflege. Ich erwarte niemals, dass meine Kinder mich im Alter pflegen. Wenn ich ein Vollpflegefall bin, dürfen sie mich gerne in den Garten schieben und erschießen. Weder ich möchte sie ein Leben noch möchte ich, das meine Kinder die Pflege auf sich nehmen müssen.

Wir sind in einem Land in dem sich jeder nach seinen Wünschen entfalten kann und darf. Soziales miteinander bedeutet eben auch Rücksichtnahme auf die Befindlichkeiten und Grenzen anderer. Wie man diese steckt, darf jeder selbst entscheiden.

Die Zeiten, in denen man sich als Erwachsene Frau der Familie und der Religion zu unterwerfen hat, sind vorbei