Leben wir in falsche Ideen und Irtümer?

5 Antworten

Ein,

Verbrechen ist ja nicht schneller als der Gedanke.

Es setzt ja Planung und zu mindestens Absicht voraus.

Das setzt den "Freien Willen" nicht außer Kraft.

Und wer bin ich schon, dass ich an Friedrich Nietzsche zweifeln sollte.

Hansi

Du sprichst einen sehr interessanten Gedanken an:

Auch der Calvinismus ging von einer doppelten Prädestination aus, bei der bereits vorbestimmt ist, wer ein Gerechter und wer ein Gesetzloser ist. Man kann zwar sehr viele Gründe für diese Überlegung finden, aber es gibt dabei einen sehr großen Haken:

Wenn alles vorherbestimmt ist, gibt es keine Schuldfähigkeit/ Strafmündigkeit des Menschen. Diese gibt es aber, oder zumindest sind sich die meisten darin einig, dass es sie geben muss. Deswegen wird diese Lehre von den meisten heutzutage abgelehnt.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Studium der Theologie und Religionswissenschaft

Das ist ein riesiges Fass, das man hier aufmacht und natürlich kann man die Frage gar nicht adäquat in einem kurzen Beitrag beantworten. Aber ich bemühe mich Mal ein paar Scharniere und Schnittstellen aufzuzeigen, die ich hier sehe.

Mir scheint, Dich interessieren zentral die Zusammenhänge zwischen:

a) Determinismus

b) Willensfreiheit

c) (moralische) Verantwortung

d) Legitimation von Strafe.

Falls Dich das tiefergehend interessiert (und Du ganz gut Englisch kannst) empfehle ich den Artikel (insbes. Abschnitt 1) zu "Moralischer Verantwortung" in der Stanford Encyclopedia of Philosophy https://plato.stanford.edu/entries/moral-responsibility/). Der ist recht verständlich und schafft einen guten Überblick.

Ich fasse mich hier einfach Mal sehr kurz und weise einfach darauf hin an welchen Stellen in der Position Nietzsches über all Kritik angebracht werden könnte bzw. angebracht worden ist. Das zeigt dann auf, wie komplex die Frage wirklich ist.

Grob gesagt, scheint Nietzsche in etwa folgende drei Dinge zu glauben:

1. b), c) und d) hängen direkt zusammen: Wir sind nur verantwortlich für unser Handeln, wenn wir einen freien Willen haben und Strafe ist nur legitim, wenn wir verantwortlich für unser Handeln sind.

2.) Willensfreiheit und Determinismus sind unvereinbar: Wenn der Determinismus stimmt, dann haben wir keinen freien Willen.

3.) Der Determinismus ist wahr.

Grundsätzlich sind alle drei Punkte schon bestritten worden. Man kann z.B. glauben, dass 1.) und 2.) stimmen, aber der Determinismus eben falsch ist. Man würde also Nietzsche zustimmen und sagen: Wenn wir keinen freien Willen hätten, dann wären wir nicht verantwortlich und Strafe wäre illegitim, wir haben aber einen freien Willen. Das wäre also eine Position, die man "Indeterminismus" nennt.

Die nächste Option besteht darin, 2.) zu bestreiten. Das nennt man dann "Kompatibilismus". Kompatibilisten (z.B. Harry Frankfurt) glauben, dass es einen Sinn von "Willensfreiheit" gibt, der mit dem Determinismus vereinbar ist. Frankfurts Position ist kompliziert, aber hier ist die Grundidee: Handlungsfreiheit heißt, dass ich tun kann, was ich will. Dann bedeutet Willensfreiheit, dass ich wollen kann, was ich will. Der Wille ist bei Frankfurt dann ein handlungsleitender Wunsch, mit anderen Worten das Verlangen, dem ich tatsächlich folge. Z.B.: Jemand möchte mit dem Rauchen aufhören. Er hat aber das Verlangen nach einer Zigarette. Jetzt gibt es zwei Optionen. Entweder er raucht eine Zigarette, dann empfindet er sich (Frankfurt zufolge) als unfrei, weil er sich selbst mit dem Verlangen eine Zigarette zu rauchen nicht identifiziert. Anders gesagt, er will nicht, dass er eine Zigarette rauchen will (er will nicht, was er will und deshalb ist er nicht frei). Oder er raucht keine Zigarette (was bei Frankfurt per definitionem heißt, dass er auch keine Zigarette will, denn der Wille ist der handlungswirksame Wunsch), dann identifiziert er sich mit seinem Willen. Er will, dass er keine Zigarette rauchen will, also will er was er will und ist daher frei. Das ist aber vollkommen vereinbar damit, dass das völlig determiniert ist.

Dann gibt es eine ganze Reihe an Optionen um 1.) zu bestreiten. Eine besteht z.B. darin zu sagen, dass Strafe dadurch legitimiert ist, dass sie ein ähnliches Verhalten in Zukunft unterbindet (bzw. weniger wahrscheinlich macht). Dafür ist völlig egal, ob wir einen freien Willen haben. Die Position war insbes. in der ersten Hälfte des 20. Jhrds. sehr verbreitet (z.B. Moritz Schlick oder J.J. Smart; für eine Kritik sei auf den enorm einflussreichen Aufsatz "Freedom and Resentment" von Strawson verwiesen). Strafe ist dann legitim, wenn sie dazu führt, dass zukünftig weniger unerwünschte Handlungen passieren.

All das kratzt nur an der Oberfläche und beantwortet Deine Frage natürlich überhaupt gar nicht. Vielleicht weckt es aber ja ein wenig die Neugierde, sich eingehend damit zu beschäftigen.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung

Sehr interessante Frage. Leider hab ich gerade nicht die Zeit, um eine ausführliche Meinung dazu zu formulieren, darum fasse ich mich kurz.

Leben wir in falsche Ideen und Irtümer?

Auf jeden Fall immer wieder. Darum ist es auch wichtig, sich kontinuierlich selbst zu hinterfragen, weiterzuentwickeln und zu versuchen, dem Festfahren in einer Bubble entgegenzuwirken.

Das ist aber ein Irrtum des freien Willens der nicht existiert, er hätte nicht anders handeln können, er hat genau so gehandelt, wie er handeln muss, nämlich wie er beschaffen ist.

Ich bin tatsächlich auch der Meinung, dass das Universum theoretisch deterministisch ist. Allerdings hat eine Strafe ja primär nicht den Nutzen, einen "Ausgleich" für Vergangenes zu schaffen, sondern einer Wiederholung in der Zukunft vorzubeugen. Die Theorie hinter der Sache ist, dass eine negative Reaktion auf eine Aktion dazu führt, dass diese Aktion in Zukunft nicht wiederholt wird. Dieser Ansatz ergibt auch Sinn, wenn man von einem deterministischen Universum ausgeht, da er ja schließlich dazu führt, dass "neue Ursachen eingeführt wurden", die in der Zukunft ihre Auswirkungen haben werden.

Ich hoffe, man kann mir halbwegs folgen, auch wenn ich das nur schnell geschrieben habe, bevor ich los muss.

Natürlich existiert der freie Wille.

Sollte ein Mörder nicht bestraft werden, weil du der Meinung bist, er musste so handeln?

Und wenn er jemanden aus deinem Nahe Umfeld eemordet? Waa, wenn jemamd dein Heim abbrennt oder was weiss ich.

Man hat IMMER eine Wahl.

Und wenn ein Mensch so beschaffen ist, wieso kann er denn in Kurzschlusssotiationen handeln, in einem Wutrausch, in Verzweiflung und wieso kann er Reue empfinden,

Die meisten Verbrechen passieren aus einer Situation oder aus einem Umstand heraus, nicht aus dem Charakter, der Art eines Menschen.


aleluja 
Beitragsersteller
 22.09.2024, 15:09

albert einstein glaubte nicht an einen freien willen und wurde gefragt, ob der mörder unschuldig ist? einstein sagte, ja er ist unschuldig, sollte aber trotzdem in gefängnis gesteckt werden, damit er nicht weitere umbringen kann..

aleluja 
Beitragsersteller
 22.09.2024, 15:13
@Luardya

seitdem es eine gesellschaft gibt, ist morden eine straftat... davor war morden lebensnotwendig... töten oder getötet werden...

Luardya  22.09.2024, 15:17
@aleluja

Ja, zur Verteidigung, zum Schutz.

Nicht, aus der Lust daran, der Neugier.

Was sich nie verändert hat, sind Eifersucht und Geld. Das gab es wohl schon immer und gibt es noch.

Wenn jetzt jemand aus Eifersucht oder Wut einen Expartner tötet, dann ist dieser ja tot. Es ist also erledigt.

Laut Albert Einstein wäre er unschuldig. Und da ja nun die "verantwortliche"Person tot wäre, gäbe es keinen Grund, anzunehmen, derjenige würde weitermorden. Was nun?