Evolutionstheorie?

2 Antworten

Vom Beitragsersteller als hilfreich ausgezeichnet

Moin,

das ist im Grunde wie immer...

Zuerst fragen wir uns, warum es ist, wie es ist.

In oberirdischen Gewässern ist der Besitz von Augen offenbar ein Vorteil, weil ein Fisch mit Augen einerseits zusätzlich zu seiner Hauptwaffe (dem Geruchssinn) auch noch den optischen Sinn zur Jagd benutzen kann. Außerdem kann er sich möglicherweise auch vor eigenen Fressfeinden besser schützen, wenn er diese kommen sieht. Auch bei der Partnerwahl kommen die Augen eventuell als Hilfsmittel in Frage, weil man dann das andere Geschlecht nicht nur am Geruch erkennt, sondern auch noch nach optischen Kriterien aussuchen kann (Weibchen können so vielleicht nicht nur ein Männchen finden, sondern sich unter mehreren Bewerbern das eventuell geeignetste Männchen aussuchen).

Und wenn man als Fisch sehen kann, ist es auch nicht unlogisch, wenn man pigmentiert ist. Das könnte wieder Signale für Rivalen oder das andere Geschlecht vermitteln...

Tja, soweit, so gut.

Aber wie sieht's jetzt beim Höhlenfisch aus. Er hat keine Augen. Das liegt wohl daran, dass es in den Höhlen stockfinster ist. Wenn es aber kein Licht gibt, ist ein Auge ziemlich nutzlos, da es ein LICHTsinnesorgan ist.

Na, und wenn man keine Augen hat, sind optische Signale auch ziemlich wirkungslos, weshalb auch eine Pigmentierung sinnfrei wäre, da sie ohnehin nicht bemerkt würde.

Soweit zu den körperlichen Unterschieden der beiden Salmler.

Wie hätten diese Unterschiede nun Lamarck bzw. Darwin erklärt.

Lamarck:

  • Arten sind grundsätzlich veränderlich.
  • Veränderungen können an Nachkommen vererbt werden.
  • Jedes Lebewesen (also auch der Höhlenfisch) besitzt einen inneren Vervollkommnungstrieb. Das bedeutet, dass jedes Lebewesen so gut es geht an seine Umwelt und seine Lebensumstände angepasst sein möchte.
  • Das führt dazu, dass Lebewesen ihre Organe und Körperstrukturen je nach Bedarf stärker nutzen oder eher vernachlässigen.
  • Die stärkere Nutzung (oder Vernachlässigung) führt zu einer entsprechenden aktiven Veränderung der Struktur (bessere Ausprägung oder Reduktion).
  • Diese Veränderung wird an die Nachkommen vererbt.
  • Die Nachkommen nutzen dann ihrerseits die Struktur aus dem inneren Vervollkommnungstrieb heraus wieder stärker (oder noch weniger), so dass die Veränderung weiter geht und wieder vererbt wird...
  • Im konkreten Fall der Höhlenfische waren die Augen überflüssig. Also wurden sie nicht mehr genutzt. Das führte dazu, dass die Fische ihre Augen zurückbildeten. Aber ohne die Augen waren auch Farbpigmente in der Haut sinnlos, weil sie nicht mehr gesehen werden konnten. Darum brauchte der Fisch auch sie nicht mehr, so dass er die Produktion einstellte. Beide Veränderungen wurden auf die Nachkommenschaft vererbt. So kam es, dass nun Fische in den Höhlen wohnen, die pigmentlos sind und keine Augen mehr ausbilden.

Darwin:

  • Arten sind grundsätzlich veränderlich.
  • Merkmale können an Nachkommen vererbt werden.
  • Jedes Lebewesen produziert im Laufe seines Lebens mehr Nachkommen als für die Arterhaltung nötig wäre (Überproduktion).
  • Die Individuen unterscheiden sich in ihren Merkmalsausprägungen leicht voneinander (Variabilität).
  • Diese Unterschiede können (vorübergehende) Modifikationen sein, sich aber auch aus Mutationen und / oder Rekombinationen des Erbgutes ergeben.
  • Die Ressourcen der Umwelt sind begrenzt, so dass es zur innerartlichen Konkurrenz um diese Ressourcen kommt („struggle for live”).
  • Aufgrund der Variabilität gibt es nun Individuen, die in diesem Konkurrenzkampf besser zurecht kommen als andere. Sie haben einen Selektionsvorteil.
  • Darum setzen sich solche Individuen häufiger gegen konkurrenzschwächere Artgenossen durch und haben eine höhere Fortpflanzungswahrscheinlichkeit („survival of the fittest”).
  • Darum geben solche Individuen ihre (vorteilhaften) Merkmalsausprägungen häufiger an Nachkommen weiter als unterlegenere Variationen. Es kommt zu einer (natürlichen) Auslese (Selektion).
  • So kommt es, dass sich über Generationen - nach und nach - auf passive Weise eine Verschiebung in der Ausprägung von Merkmalen ergeben kann (Gradualismus).
  • Wird eine Population geteilt, finden die evolutiven Prozesse in den Teilpopulationen unabhängig voneinander statt, so dass sich verschiedene Arten entwickeln können (Divergenz).
  • Im konkreten Fall wurde einst eine Teilpopulation der Fische vom Rest abgetrennt und gelangte in die unterirdischen (lichtlosen) Höhlen. Da hier Augen und Pigmente nutzlos waren, hatten plötzlich Variationen bzw. Mutanten einen Selektionsvorteil, die schlechter ausgebildete Augen und / oder weniger Pigmente hatten. Das lag vielleicht daran, dass Augen oder Pigmente Strukturen sind, für die Baustoffe und Versorgungsstoffe abgestellt werden müssen. Wenn ein Fisch dagegen durch beispielsweise eine Mutation keine Augen ausbildet, braucht er diese weder zu bauen noch zu versorgen. Das bedeutet, dass er die knappen Ressourcen für andere Körpereigenschaften zur Verfügung hat (oder einfach mit weniger Nahrung klar kommt). Dieser (unerwartete) Selektionsvorteil führte dazu, dass derartige Merkmalausprägungen plötzlich bessere Überlebenschancen und somit auch eine höhere Reproduktionsrate versprachen. Sie setzten sich (im kleinen Genpool der Höhlenfischpopulation) durch. So kam es, dass die Höhlenfische am Ende augen- und pigmentlos wurden...

Übrigens ist an diesem Beispiel mindestens genauso (wenn nicht noch stärker) interessant, inwieweit der (vom Menschen eingeschätzte) taxonomische Status der beiden Fischgattungen aufrecht erhalten bleiben kann, wo doch die Paarungsversuche fertile Nachkommen hervorbrachten (Stichwort: Artbegriff). Eine ebenfalls spannende Frage wäre, ob die Nachkommen Augen und / oder Pigmente ausbilden oder nicht. Aber das sind andere Geschichten...

LG von der Waterkant


Lisa8887 
Beitragsersteller
 21.05.2021, 22:02

Wow danke!!!!! Vielmals!!

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Lamarcks Theorie hat einen entscheidenden Fehler. Wenn man etwas nicht gebrauchen muss, stellt sich das ja erst heraus, wenn man es zwar hat, aber es keinen Nutzen MEHR bringt. So ein Fisch entschließt sich deswegen aber nicht, von nun an die Augen nicht mehr zu gebrauchen und mal eben seine gesamten Erbanlagen (die ja die Anlage für Augen enthalten) umzuändern.

Normalen Fischen bringen fehlende Augen unbestreitbar erhebliche Nachteile gegenüber allen Fischen, die welche haben und mit ihnen um Nahrung konkurrieren.

In einer Höhle ist der Vorteil der sehenden Fische dahin. Es geht immer um bessere Überlebenschancen.