Es geht um die Götter in Weiß: Freund braucht Hilfe bei gesetzlichen Krankenversicherung. Was tun?

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„Wenn Sie in Bremerhaven wohnen, fahren Sie nach Bremerhaven. Bei uns in Eichwalde behandeln wir Sie nicht, da wir eine Hausarztpraxis sind. Wir behandeln Sie nur als Notfall, und das sind Sie nicht.“

Ja, ist leider oft so und betrifft z.t. auch Menschen, die umgezogen sind.
Ich kenne auch einen älteren Herrn, der, weil alle Praxen in der Nähe voll sind, über 2 Stunden zu seinem früheren Hausarzt fahren muss.
Man denke an Menschen mit chronischen Erkrankungen, die öfters Kontrolle oder einfach nur einen Ansprechpartner in der Nähe brauchen - ein Albtraum...

Wobei man hier natürlich fragen könnte, ob die Ärztin denn wirklich keine Kapazitäten mehr hat.
Als Kassenärztin ist sie, bis auf wenige Ausnahmen, nämlich grundsätzlich verpflichtet jeden Patienten aufzunehmen.

Mein Freund ist der Ansicht, dass er ab sofort KEINE Krankenkassenbeiträge mehr bezahlen muss. Verweigert ihm ein Arzt die Behandlung, verweigert er die Beiträge.

Leider ist das nicht so.
Ich kann durchaus die Wut aufs Gesundheitssystem verstehen und habe auch den Eindruck, dass sich da immer mehr Menschen auf Kosten der ärmeren bereichern, aber rein rechtlich hat er das Recht nicht und wird es vermutlich auch kaum umsetzen können, da etwaige Beiträge ja automatisch abgebucht werden.

Was meinen Sie zu diesem Fall. Ist das typisch oder ein Einzelfall, und was raten Sie ihm zu tun?

Um nur mal ein paar Beispiele auzuzählen: Ich kenne zwei Menschen, die an einem Herzinfarkt und einen, der an einer Blinddarmentzündung verstroben sind, weil niemand sie behandeln wollte.
Kardiologen nehmen niemanden mehr auf, weil überlastet.
Auf Augenarzttermine wartet man, selbst im Notfall, mindestens 6 Monate.
Viele Medikamente sind Mangelware.

Mit den Worten aller Ärzte, die ich kenne: "Unser Gesundheitssystem ist völlig kaputt".
Also nein: Es ist leider kein Einzelfall.

Raten kann man da nur, einen anderen Arzt zu suchen oder sich an Stellen wie Caritas oder Diakonie zu wenden, die oft auch vermitteln bzw Ärzte haben, die Dienste anbieten.


Paulchenoo9 
Beitragsersteller
 10.09.2024, 15:23

Genau, so kommt mir das auch vor : " Um nur mal ein paar Beispiele auzuzählen: Ich kenne zwei Menschen, die an einem Herzinfarkt und einen, der an einer Blinddarmentzündung verstroben sind, weil niemand sie behandeln wollte.

Kardiologen nehmen niemanden mehr auf, weil überlastet.

Auf Augenarzttermine wartet man, selbst im Notfall, mindestens 6 Monate.

Viele Medikamente sind Mangelware. " Und für Schlafapnoe Termin für Lungenarzt 12 Monate... Traurig, vor 2015 hatte die Gesundheitsversorgung doch einigermassen funktionniert ... oder bilde ich mir das nur ein ?

ThM3344  10.09.2024, 15:26
@Paulchenoo9

Naja, Fehler gab es auch damals schon.
Aber anstatt die ganzen Dinge anzugehen, hat man sie einfach ignoriert, dann ist das eben der Lauf der Zeit.

Flüchtlinge haben damit sicher nichts ursächlich zu tun, aber klar: Mehr Menschen in einem maroden System belasten das eben noch zusätzlich, genauso wie die zunehmende Inflation.
Nichts desto Trotz ist die eigentliche Ursache das System selbst.

Mein Freund ist der Ansicht, dass er ab sofort KEINE Krankenkassenbeiträge mehr bezahlen muss. Verweigert ihm ein Arzt die Behandlung, verweigert er die Beiträge.

Da liegt er falsch.

In einem modernen Sozialstaat soll jedoch keine Bürgerin und kein Bürger ohne Schutz im Krankheitsfall sein. Deshalb besteht für alle Bürgerinnen und Bürger mit Wohnsitz in Deutschland die Verpflichtung zum Abschluss einer Krankenversicherung.

Zur Vorgeschichte kann man aufgrund unzureichender Informationen keine weiteren Aussagen machen.


Paulchenoo9 
Beitragsersteller
 10.09.2024, 09:58

Es gibt keine Vorgeschichte, er war zum ersten Mal in der Praxis, und er ist deutscher Rentner ...

BeviBaby  10.09.2024, 10:00
@Paulchenoo9

Natürlich gibt es eine:

Warum ist er der Ansicht dass Diabetes in Brandenburg unbekannt wäre? Warum geht er nicht zum Hausarzt nach Bremerhaven?

Mitscher45  10.09.2024, 10:00
@Paulchenoo9

Die Informationen stammen nur von einer Seite. Deshalb keine weitere Aussage.

Nur soviel, wenn er Rentner ist und Diabetiker, so hat er mit Sicherheit einen Hausarzt. Dort kann man hingehen.

Mitscher45  10.09.2024, 10:02
@BeviBaby

Eben, die ganze Geschichte ist vollkommen undurchsichtig. Offensichtlich fehlen hier Informationen.

„Wenn Sie in Bremerhaven wohnen, fahren Sie nach Bremerhaven. Bei uns in Eichwalde behandeln wir Sie nicht, da wir eine Hausarztpraxis sind. Wir behandeln Sie nur als Notfall, und das sind Sie nicht.“

natürlich weiß man hier nicht mehr, weil leider den anscheinenden Diabetes betreffend des besten Freundes nicht mehr Fakten oder Details genannt werden. Also kann man nur vermuten.

es könnte aber auch sein, daß der Bekannte womöglich Typ-1-Diabetiker ist. Und mit dieser Aussage der Ärztin gemeint ist, daß er zur regulärbehandlung diesbezüglich einen diabetologen (Facharzt) in wohnortnähe aufsuchen soll.

siehe bsw, hier:

https://www.google.com/search?q=typ1+diabetiker+hausarzt&ie=UTF-8&oe=UTF-8&hl=de-de&client=safari

Die Richtlinie sieht vor, dass Patienten mit Typ-1-Diabetes im Rahmen des DMP primär diabetologisch durch Diabetologen behandelt werden und nur ausnahmsweise durch den Hausarzt. Anders verhält es sich bei Patienten mit Typ-2-Diabetes: Hier erfolgt die primäre Betreuung in der Regel beim Hausarzt.

(Quelle: Google-Suche)

Mein Freund ist der Ansicht, dass er ab sofort  KEINE Krankenkassenbeiträge mehr bezahlen muss. Verweigert ihm ein Arzt die Behandlung, verweigert er die Beiträge.

wie dein Freund wohl schon von seiner KK erfahren hat, ist solch ein Verhalten unzulässig.

nicht jeder Arzt, den der Freund wählt, muß ihn auch behandeln. Das klappt nur mit Einverständnis des jeweiligen Arztes, wie hier bereits mehrfach erklärt.

Ein Arzt kann einen Patienten auch - und das ist ganz legal - abweisen. Dabei ist es völlig unerheblich, ob das ein Haus- oder Facharzt ist.

Der Freund muß eben solange suchen, bis er einen findet, der ihn auch behandeln will.

und was raten Sie ihm zu tun?

solange suchen, bis er einen Arzt findet, der ihn als Patienten annimmt, wie schon gesagt.

Was meinen Sie zu diesem Fall. Ist das typisch oder ein Einzelfall,

das ist kein Einzelfall und typisch, bzw. „Normal“, und schon lange so, daß sich ein Patient einen behandelnden (neuen) Arzt selbst suchen muß. (Z.B. auch bei Umzug)

außer, er nimmt - bsw. - am Hausarztmodell teil, und sein behandelnder Hausarzt empfiehlt ihn einen, der noch Patienten aufnimmt (jetzt betreffend einen Facharzt), ggf. auch aus seiner Praxis.

Hier gehen mehrere Aspekte durcheinander, die wir erst einmal aufdröseln müssen.

Zum einen wäre da die freie Arztwahl. Dein Freund hat so gesehen schon recht, in Deutschland kann er zu jedem Arzt gehen, zu dem er gehen möchte. Allerdings gehören zu einer Arzt-Patienten-Beziehung immer zwei, denn es handelt sich hierbei um einen Vertrag. Wenn er als Patient einen Vertrag mit einem Arzt eingehen möchte ist es schön, der Arzt muss das allerdings auch wollen. Die Ausnahmen sind Notfälle, die jeder Arzt immer behandeln muss. Ansonsten steht es einem Arzt, auch wenn er von einem Patienten ausgewählt wird, sehr wohl frei, die Behandlung abzulehnen, wenn es dafür einen guten Grund gibt. Ein guter Grund kann eine überfüllte Praxis sein, da kein Arzt dazu verpflichtet werden kann, bereits in der Kartei befindliche Patienten zu vernachlässigen, um noch weitere Patienten aufzunehmen. Ein weiteres, damit eng verwandtes Problem ist, dass Hausarztpraxen budgetiert sind. Erbringt eine Hausarztpraxis "zu viel" Leistungen, behandelt sie also zu viele Patienten, bringt das erhebliche wirtschaftliche Nachteile mit sich. Diese Eigenheit des deutschen Gesundheitssystems ist nicht jedem klar man hört es zwar irgendwie immer mal wieder in den Nachrichten, was genau das mit diesem Budget auf sich hat, weiß aber niemand. Ist auch echt kompliziert, aber schlussendlich kann es dazu führen, dass ein Arzt Strafzahlungen leisten muss für zu viele Patienten. Und kein Arzt kann gezwungen werden, zum eigenen wirtschaftlichen Nachteil zusätzliche Patienten anzunehmen. Damit wäre dieser Punkt also schon mal geklärt: dein Freund hat zwar freie Arztwahl, der Arzt muss ihn aber (solange er kein Notfall ist) nicht behandeln, da dieser Vertrag von beiden Seiten geschlossen wird und der Arzt bei guten Gründen ablehnen kann. Es ist deinem Freund dann durchaus zu zumuten, sich einen anderen Arzt zu suchen.

Nun zu den Beiträgen: selbstverständlich steht es deinem Freund nicht frei, einfach seine Beiträge nicht zu bezahlen. Das Krankenkassensystem ist solidarisch ausgerichtet und jeder bezahlte einen festen Anteil seines Einkommens dort hinein. Wenn man aus dem Solidarsystem ausschert, muss man sich privat krankenversichern. Dies ist allerdings gerade im Rentenalter, durchaus kostspielig und da stellt sich schon ein bisschen die Frage, ob sich das für deinen Freund rechnen würde. Einfach zu sagen, ich bezahle jetzt gar keine Beiträge mehr, weil ich ja von einem Arzt abgewiesen wurde, ergibt natürlich keinen Sinn. Denn nur weil der eine Arzt ihn nicht behandelt, so wie er das möchte, heißt das ja nicht, dass das gesamte Gesundheitswesen ihm nicht zur Verfügung steht. Also: wenn er keine Beiträge zahlen möchte, kann er aus der gesetzlichen Krankenversicherung austreten und eine private Versicherung abschließen. Wenn er keine private Versicherung abschließt, ist er Selbstzahler und müsste jegliche Behandlung privat zahlen. Theoretisch auch möglich, allerdings wird er sich durchaus umgucken, wie viel Arztbesuche letzten Endes kosten. Gerade bei chronisch Erkrankten (z.B. Diabetikern) zahlt das Solidarsystem in der Regel mehr, als die Betroffenen an Beiträgen ins System einschleusen.

Dritte Aussage: "wegen Diabetes sei eine Behandlung in Brandenburg nicht möglich". Diese Aussage ist Unsinn. Selbstverständlich kann Diabetes und alles was damit zu tun hat auch in Brandenburg behandelt werden. An dieser Stelle möchte ich sagen dass der ganze räumliche Zusammenhang mit Bremerhaven, Brandenburg und was auch immer Informationen sind, die ich nicht einordnen kann. Die Aussage, in Brandenburg könnte Diabetes nicht behandelt werden stimmt jedenfalls schlichtweg nicht. Wenn da hinter natürlich noch etwas anderes steckt, kann ich dazu nichts sagen, da mir Informationen fehlen.

Auf die letzte Frage, ob dies ein Einzelfall oder typisch sei, kann ich nur Antworten: dass ein Patient mal nicht von dem Arzt, den er sich wünscht behandelt wird, passiert ständig. Ist also kein Einzelfall. Dass jemand wegen der Tatsache, von einem bestimmten Arzt nicht behandelt worden zu sein direkt das gesamte Gesundheitssystem in Frage stellt und keine Beiträge mehr zahlen will, ist ein absoluter Einzelfall und natürlich durch nichts gerechtfertigt. Ich kann Enttäuschung und Wut ja zu einem gewissen Grad verstehen, eine derartige Überreaktion ergibt allerdings keinen Sinn. Man sollte die Energie vielleicht in die Suche nach einer anderen Arztpraxis mit mehr Kapazitäten stecken.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Anästhesist und Notfallmediziner

Daran ist nichts besonderes, das ist Standard.

Hausärzte sind häufig so voll, das sie keine neuen Patienten mehr annehmen.

Klar würden sie einen Notfall behandeln, aber wenn er keiner war, dann halt nicht.

Dein Freund sollte mal bedenken, das jede Praxis ein Budget von der KK bekommt, das er nicht überschreiten darf, daher KÖNNEN Ärzte sich nicht um jeden kümmern, selbst wenn sie wollten.


Paulchenoo9 
Beitragsersteller
 10.09.2024, 10:10

Danke, das werde ich ihm sagen " Dein Freund sollte mal bedenken, das jede Praxis ein Budget von der KK bekommt, das er nicht überschreiten darf, daher KÖNNEN Ärzte sich nicht um jeden kümmern, selbst wenn sie wollten." Er sagte, ich gehe kaum 4 mal im Jahr zum Arzt, bezahle dafür 6000 Euro jährlich, das ist ihm zu viel und zu schlechte Gegenleistung

BeviBaby  10.09.2024, 10:29
@Paulchenoo9

Es IST KEINE direkte Gegenleistung. Und selbst wenn es eine wäre hat die Krankenversicherung damit nichts zu schaffen.

Deamonia  10.09.2024, 10:35
@Paulchenoo9

Dann soll dein Kumpel halt in die Private KV wechseln, da kann er die Leistungen begrenzen und muss so weniger zahlen.

Allerdings werden die ihn wegen seines Diabetes nicht nehmen, denn sowas ist richtig teuer. Dein Kollege hat scheinbar null Ahnung, was so eine Diabetes Erkrankung die KK kostet.

Mein Bruder hat mal so ähnlich gedacht, dann hat er einen Sohn bekommen, der Diabetes hat.

Allein im ersten Jahr hat die KK Leistungen von über 30.000€ erbracht.