Ampèresches Kraftgesetz auch bei Elektronenstrahlen?

2 Antworten

Von Experte tunik123 bestätigt

Na klar. Warum sollte das dann nicht mehr gelten? Es sind doch weiterhin zwei elektrische Ströme vorhanden.

Der eine Elektronenstrom erzeugt ein Magnetfeld. Die Elektronen im anderen Elektronenstrom werden aufgrund der Lorentzkraft dann wegen diesem Magnetfeld abgelenkt. [Genauso umgekehrt, so dass auch auf die Elektronen im zuerst betrachteten Strahl eine Lorentzkraft wirkt.]


Enigma7676a 
Beitragsersteller
 19.09.2024, 21:47

Weil in der Formulierung (Literatur) explizit Leiter steht und nicht nur Ströme.

Ich hab folgendes Problem wenn man auf den Leiter verzichtet: Die Stromstärke hängt von der Geschwindigkeit der Elektronen ab. Hat man aber keinen Leiter, gibt es kein Bezugssystem. Geschwindigkeit relativ wozu?

Je nach Bezugssystem erhält man unterschiedliche Kräfte und Ergebnisse...

isohypse  20.09.2024, 00:24
@Enigma7676a

Die Ergebnisse hängen immer vom Bezugssystem ab, egal ob sich die Elektronen im Leiter bewegen oder frei. Es gibt keine absolute Geschwindigkeit, du musst immer ein Bezugssystem angeben.

mihisu  20.09.2024, 07:30
@Enigma7676a

Den ersten Teil meines Kommentars kannst du überspringen. Der zweite Teil sollte für dich interessanter sein.

====== 1. Teil ======

Erst einmal können Kräfte allgemein auch vom Bezugssystem abhängen...

Wenn du beispielsweise in einem Zug sitzt, der eine kreisbogenförmige Linkskurve fährt... Von außen betrachtet möchte sich dein Körper geradlinig weiterbewegen, und wird gegebenenfalls durch Krafteinwirkung der Zugumgebung nach links mitgenommen, welche dich als Zentripetalkraft auf der Kurvenbahn hält.

Wenn du dich in „dein“ Bezugssystem (also das Bezugssystem, in dem du bzw. der Zug in Ruhe ist) versetzt, so wirst du eine entsprechende Fliehkraft nach rechts spüren, welche dieser Zentripetalkraft entgegenwirkt. So dass du innerhalb des Zug-Bezugssystems an deinem Platz bleibst, statt zur Kreismitte beschleunigt zu werden.

Zugegeben hat das jetzt aber nicht so viel mit der Situation in deiner Frage zu tun, da es da um beschleunigte bzw. rotierende Bezugssyteme geht, in denen dann solche Scheinkräfte (wie die Fliehkraft) entstehen. In der genannten Situation mit dem Leiter bzw. dem Elektronenstrahl unterscheiden sich die von dir angesprochenen Bezugssysteme jedoch nur um eine konstante Geschwindigkeit, sodass das mit den Scheinkräften hier nicht wirklich eine Rolle spielt. Trotzdem wollte ich damit kurz ansprechen, dass es allgemein in unterschiedlichen Bezugssytemen durchaus auch unterschiedliche Kräfte geben kann.

====== 2. Teil ======

Zu deiner eigentlichen Frage...

Traditionell wird oftmals nur der entsprechende Magnetfeld-bedingte Kraftanteil

F[B] = q v × B

als Lorentzkraft im engeren Sinne bezeichnet. Nicht wenige Physiker bezeichnen aber im weiteren Sinne

F = F[E] + F[B] = q E + q v × B

als Lorentz-Kraft. Und das auch deshalb, weil diese dann auch bei spezieller Lorentz-Transformation nicht ändert. Die elektrischen und magnetischen Felder ändern sich dann, aber die Lorentzkraft (im weiteren Sinne) bleibt dann noch konstant.

Siehe beispielsweise auch: https://de.wikipedia.org/wiki/Spezielle_Lorentz-Transformation#Lorentz-Transformation_des_elektrischen_und_magnetischen_Feldes

Als nichtrelativistische Näherung (bei kleinen Geschwindigkeiten) erhält man...

E' E + v × B

B' B - 1/c² v × E

Wenn man sich nun bei deiner Überlegung nun beispielsweise in das Ruhesystem der Elektronen versetzt, so verringert sich zwar das Magnetfeld auf 0, aber das elektrische Feld erhöht sich um v × B, was sich gegenseitig ausgleicht. Letztendlich wirken dann bei einem Lorentz-Boost des Bezugssystems trotzdem die gleichen Kräfte auf die Elektronenstrahlen.

Und auch, wenn man zwei Leiter hat... Das heißt ja nicht unbedingt, dass du in dem Bezugssystem mit ruhendem Leiter rechnen musst. Was wäre denn auch beispielsweise, wenn sich die beiden Leiter nicht mit gleicher Geschwindigkeit bewegen. Was für ein Bezugssytem würdest du dann wählen?

isohypse  20.09.2024, 08:35
@mihisu
Und das auch deshalb, weil diese dann auch bei spezieller Lorentz-Transformation nicht ändert.

Bist du dir das sicher? Wenn es um hohe Geschwindigkeiten geht, ändert sich auch der Ausdruck für F. Nur wenn die Geschwindigkeiten im Vergleich zur Lichtgeschwindigkeit klein sind, bleibt F auch in etwa gleich. In der Newtonschen Physik ändern sich Kraft und Beschleunigung nicht von einem Inertialsystem zum anderen, in der speziellen Relativitätstheorie eigentlich schon - oder?

Wenn wir den Fall betrachten, dass im Laborsystem S nur ein Magnetfeld B besteht, dann hat man im Ruhesystem des Systems S' ein elektrisches Feld E' γvx B. In diesem Fall kann man sagen, dass das magnetische Feld vollständig durch das elektrische Feld "ersetzt" wird, aber trotzdem hat man den Faktor γ.

Hat man aber umgekehrt ein rein elektrisches Feld E' in S', dann hat man in S sowohl ein elektrisches Feld EE' und ein magnetisches Feld Bv x E/c², die Lorentzkraft ist dort also F=qγE'(1+v²/c²) = qE'/γ = F'/γ, was nur für kleine Geschwindigkeiten gleich F' ist.

mihisu  20.09.2024, 08:47
@isohypse

Ja, da hast du recht. Da war ich in Gedanken noch zu sehr an der nicht-reltivistischen Näherung. Ich sollte vielleicht erst dann wieder etwas schreiben, wenn ich etwas ausgeschlafener bin.

isohypse  20.09.2024, 15:21
@mihisu

hast mich nur verwirrt, da ich schon glaubte, hier irgendwas nicht verstanden zu haben. Die Transformationsgesetze werde ich mir sowieso niemals alle merken. ich muss mich da jedes Mal aufs Neue hineindenken.

Natürlich, wieso nicht?

Nur wirkt zusätzlich zum Magnetfeld auch ein elektrisches Feld. Hier muss man genau genommen die Felder Lorentz-transformieren. Im Laborsystem hat man E und B, im Ruhesysten nur E.


Enigma7676a 
Beitragsersteller
 19.09.2024, 21:58

Das ist richtig, es wirkt auch ein elektrisches Feld. Im Ruhesystem habe ich nur ein E Feld. Das heißt hier wirkt keine Lorentzkraft! Heißt das nicht das im Labor System ebenfalls keine Lorentzkraft wirkt? Sonst wäre ja das Ergebnis unterschiedlich in beiden Systemen.

isohypse  19.09.2024, 22:08
@Enigma7676a

Das reine E Feld im Ruhesysten führt im Laborsystem zu einem B Feld. Daher muss dort auch eine Lorentzkraft wirken, obwohl diese im Ruhesystem fehlt.

Enigma7676a 
Beitragsersteller
 19.09.2024, 22:45
@isohypse

Ist mir noch nicht ganz klar. Das würde aber ja bedeuten dass sich das elektrische Feld auch ändert? Die Gesamtkraft (lorentz + columb kraft) muss ja konstant sein in allen bezugssystemen?! Das ist mir für den vorliegenden Fall nicht klar! Der Abstand der parallelen Elektronenstrahlen ändert sich ja nicht. Es gibt ja keine Geschwindigkeitskomponente in dieser Richtung?!

isohypse  20.09.2024, 00:13
@Enigma7676a
Das würde aber ja bedeuten dass sich das elektrische Feld auch ändert? 

Natürlich ändert sich auch das elektrische Feld. Wenn du dich in einem rein magnetischen Feld des Laborsystems bewegst, nimmst du in deinem gegenüber dem Labor bewegten Ruhesystem ja ein elektrisches Feld wahr, obwohl im Laborsystem keines vorhanden ist. Wie willst du sonst die Kraft auf eine im deinem Ruhesystem ruhende Ladung aus der Sicht des Ruhesystems erklären? Es gilt ja im Laborsystem

F= q*v x B,

Damit die Kraft im Laborsystem auch im Ruhesystem erklärt werden kann, muss dort zwangsläufig auch ein elektrisches Feld vorhanden ein - woher soll sonst eine Kraft kommen? also gilt dort E = v x B Das Magnetfeld kann dort ja keine Kraft bewirken, da ja die Geschwindigkeit der Ladung Null ist.

Das ist aber nur für v<<c als Näherung gültig. Allgemein transformieren sich die Felder wie folgt zwischen Bezugssystemen (Fett = Vektor, nicht fett=Betrag):

E' =γ (E + v x B) + (1-γ) (Ev) v/v²

B' =γ (B - v x E/c²) + (1-γ) (Bv) v/v²

γ² = 1/(1-v²/c²)

https://de.wikipedia.org/wiki/Spezielle_Lorentz-Transformation#Lorentz-Transformation_des_elektrischen_und_magnetischen_Feldes

Die Gesamtkraft (lorentz + columb kraft) muss ja konstant sein in allen bezugssystemen?! 

Du musst aber aufpassen, denn die Kräfte transformieren sich ebenfalls und bleiben eben nicht gleich:

http://www.sciencebits.com/Transformation-Forces-Relativity

Auch Kräfte sind relativ.