Blickwechsel - Deine Fragen an eine Bürgergeldempfängerin

Unsere Nutzerin "DieChemikerin" empfängt seit einem Dreivierteljahr Bürgergeld. Dass sie sich mal in dieser Situation steckend wiederfinden würde, hätte die 26-jährige junge Frau, die einen Masterabschluss besitzt und ausgebildete Lehrerin für die Fächer Chemie und Latein ist, noch vor einiger Zeit kaum träumen lassen. Doch der Ausbruch einer Angsterkrankung hinderte sie bisher daran, ihren Job auszuüben. Im Blickwechsel beantwortete sie am Mittwoch, den 26. Juni, Fragen zum Thema Bürgergeld, ihren Erfahrungen mit dem Jobcenter und wie sie den Vorurteilen gegenüber Bürgergeldempfängern entgegentritt.

Was hat es damit auf sich?

Mit dem gutefrage-Blickwechsel wollen wir die Möglichkeit für Begegnungen mit interessanten Menschen schaffen. Über den direkten Austausch soll so mehr Verständnis für die Sichtweisen des Anderen erreicht werden.

Denn hinter jeder Antwort auf gutefrage steckt ein Mensch mit einer spannenden Geschichte. Diesen Menschen kannst Du beim gutefrage-Blickwechsel begegnen und dabei versuchen, die Welt durch ihre Augen zu sehen. Denn genau das meint die doppelte Bedeutung des Wortes "Blickwechsel":

  1. Der Austausch von Blicken
  2. Der Wechsel der Sichtweise

Der Blickwechsel fand am Mittwoch, den 26. Juni von 15 bis 17 Uhr statt. Unsere Nutzerin DieChemikerin beantwortet zwei Stunden lang Fragen ums Thema Bürgergeld. Sie sprach dabei über ihre persönliche Geschichte und Erfahrungen, beantwortete aber auch grundsätzliche Fragen zum gesellschaftlichen Umgang mit dem Thema Bürgergeld und seinen Empfängern.

Profil von DieChemikerin

DieChemikerin stellt sich vor:

Vorurteile über Menschen, die Bürgergeld beziehen, gibt es viele. Das bekannteste ist sicherlich, dass Menschen, die auf Bürgergeld (Arbeitslosengeld II, früher Hartz IV) angewiesen sind, Arbeitsverweigerer sind und Geld fürs Nichtstun geschenkt bekommen. Dieses Narrativs bedienen sich auch Politiker:innen und große Parteien allzu gern, die damit Stimmung gegen diese Menschen machen. Gerade Geringverdiener:innen und der Mittelstand werden gegen diese Gruppe aufgehetzt, wobei das Problem ganz woanders liegt. Auch das lineare Fernsehen prägt solche Vorurteile durch Reality-TV-Formate maßgeblich.

Ich bin Sophie, 26 Jahre alt und beziehe seit einem dreiviertel Jahr Bürgergeld. Dass es einmal so weit kommt, hätte ich nicht erahnen können: Seit meinem 15. Lebensjahr habe ich immer gearbeitet. Ich habe 2023 mein Masterstudium im Lehramt für die Fächer Chemie und Latein erfolgreich abgeschlossen und aufgrund des Lehrkräftemangels – gerade in meinen Fächern – würde ich schnell einen Job finden. Doch im August 2022 nahm mein Leben eine ungeahnte Wendung, als ich die Angstsymptome entwickelte.

Bereits seit vielen Jahren habe ich immer mal wieder mit Ängsten zu tun. Ab Januar 2023 nahmen diese Symptome in der Vielfalt und Beständigkeit immer mehr zu. Der Radius, in dem ich mich bewegen konnte, nahm immer mehr ab, bis ich im Herbst 2023 gar nicht mehr die Wohnung verlassen konnte und sogar zu Hause körperliche Symptome aufwies. Somit war ich plötzlich nicht mehr in der Lage, in dem Umfang zu arbeiten, wie ich es gewohnt war, und war plötzlich auf Bürgergeld angewiesen – erst ein dreiviertel Jahr zuvor war ich in meine erste eigene Wohnung gezogen.

Nun beziehe ich bereits eine Weile Bürgergeld und konnte bereits Erfahrungen mit dem Jobcenter sammeln. Viele Menschen haben gewisse Vorbehalte und Ängste gegenüber dem Jobcenter, da viele Menschen leider negative Erfahrungen machen und diese dann in sozialen Netzwerken geteilt werden. Diese Angst hatte auch ich. Mit diesem Blickwechsel möchte ich also sowohl mit Vorurteilen aufräumen als auch Menschen, die vielleicht selbst darauf angewiesen sind, Mut zusprechen.

Bild der Nutzerin "DieChemikerin"

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