Warum "selige Jungfrau Maria"?

4 Antworten

Die Unterscheidung zwischen "Seligen" und "Heiligen" im Sinne von Selig- und Heiliggesprochenen ist ein Phänomen der neueren Kirchengeschichte. Es handelt sich dabei lediglich um eine kirchenrechtliche Frage, weil die sog. Heiligsprechung weitreichende Rechtsfolgen nach sich zieht als die sog. Seligsprechung. Beide bestehen in einem formellen, feierlichen Urteil des Papstes über das geglückte Leben von Gläubigen, "die dem Vorbild Christi besonders gefolgt sind und durch das Vergießen ihres Blutes (Martyrer) oder durch heroische Tugendübung (Bekenner) ein hervorragendes Zeugnis für das Himmelreich" abgelegt haben. Theologisch kann kaum ein Unterschied zwischen Selig- und Heiligsprechung gemacht werden. Das ist lediglich ein sprachliches Problem. Besser wird das anhand der lateinischen Ausdrücke deutlich:

Beatifikation = Seligsprechung;

Kanonsation = Aufnahme in das Verzeichnis (Kanon) [der Heiligen]

Die formelle Seligsprechung (Beatifikation) ist sozusagen die Grundlage und geht mit der Erlaubnis einher, die seliggesprochene Person lokal (in der Diözese, Ordensgemeinschaft, Region oder im Land) kultisch zu verehren. Nach erfolgter Heiligsprechung (Kanonisation) darf der/die Heiliggesprochene weltweit auch ohne päpstliche Erlaubnis kultisch verehrt werden, z. B. indem am entsprechenden Gedenktag die Messe vom Heiligen gefeiert werden kann.

Mit Maria hat diese rein rechtliche Unterscheidung nichts zu tun. Maria ist ja quasi schon durch die Konzilsbeschlüsse von Ephesus im 5 Jh. kanonisiert; das Nicaenum II (787) gestattet die Verehrung ihrer Bilder.

Was du meinst ist der Marientitel Beata Maria Virgo (selige Jungfrau Maria); Abk. B. M. V. Das ist ein sehr verbreiteter, grundlegender Marientitel und als solcher Namensbestandteil der meisten historischen wie aktuellen Marienfeste und -gedenktage (z. B. Visitatio B. M. V., Mariä Heimsuchung).

Wie alle Marientitel geht auch das B. M. V. auf die Volksfrömmigkeit zurück. Abgeleitet ist der Titel vom Magnificat, wo es in Lk 1,48 heißt: "Von nun an preisen mich selig (makarioúsin) alle Geschlechter." makários heißt so viel wie: glücklich, glückselig, selig (das Wort drückt hier einen Zustand von Gott geschenkter Freude ohne Ende aus).

Also: Die heilige Maria wird als Selige Jungfrau Maria verehrt, weil sie sich selbst so besungen hat - also alles schön brav auf biblischem Fundament ;)

Und: Wegen der heute üblichen Unterscheidung zwischen "Seligen" und "Heiligen" wird der Titel Beata Maria Virgo manchmal mit Superlativen übersetzt, um auszudrücken, dass Maria eben nicht "bloß" selig ist - was theologisch völliger Blödsinn ist und an der Sache völlig vorbei geht. Traditionalisten machen das gerne und heben die "allerseligste Jungfrau Maria" hervor.

Ich würde da nicht zu viel hineininterpretieren. Dadurch wird ja ihre Heiligkeit nicht ausgeschlossen.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Praktizierender Katholik. Lese viel zu Glaubensfragen.

Dass Maria als leibliche Jungfrau in den Himmel kam, ist eine kirchliche Auslegung, die die Bibel nicht bestätigt. Maria und Joseph hatten nach Jesu Geburt mindestens 6 Kinder, die Jungs sind sogar mit Namen angeführt. 2 Halbbrüder Jesu schrieben auch Bücher der Bibel: Jakobus und Judas (nicht Iskariot, der Jesus verriet).

Habe ich mich als Kind bereits gefragt und kann's bis heute nicht erklären.

Natürlich sind Heilige auch selig, aber sonst sagt man das ja auch nicht, also seliger Fransziskus oder seliger Paulus.

Woher ich das weiß:Hobby – Persönliches Interesse an Kirchenrecht und Kirchengeschichte

ScotiaAlba  24.09.2024, 00:58

Hab mal versucht eine Antwort darauf zu geben. Hätte Paulus auch ein Magnificat gesungen, würden wir ihn gewiss so nennen ;) Im Ernst: Ich habe mittelalterliche Sakramentare durchgeschaut, in denen die Feste besonders verehrter Heilige mit dem Verb selig (beatus, -a) unterstrichen werden, etwa beim Fest der seligen (beati) Apostel Petrus und Paulus am 29. Juni. Beatus und Sanctus können hier schlicht synonym gebraucht werden, weil sie theologisch das gleiche ausdrücken und noch nicht derartig rechtlich konnotiert sind wie heute.