Du wirst es dir vermutlich schwer vorstellen können, aber ich kenne genau den umgekehrten Fall. In der Grundschule hatten wir in Mathe am Anfang der Stunde immer so ein Spiel, wo die Lehrer Aufgaben gestellt haben. Die offiziellen Spielregeln lauteten: Wer sich meldet (!) und die Aufgabe sehr gut (!) löst, ist in dieser Stunde Mathe-König oder -Königin. Wir hatten dafür richtig eine Krone gehabt, die der-/diejenige dann aufsetzen durfte für den Rest der Stunde. In der Realität sah es so aus, dass die Lehrer erstmal einen der schwächsten Schüler aufgerufen haben, um den mit viel viel Nachsicht und Hilfestellungen durch die Aufgabe zu boxen und ihn dann mit viel Halligalli zum Mathe-König zu küren. Da hat sich der jeweilige Schüler dann zwar wie Bolle gefreut, ihn aber nachhaltig besser in Mathe gemacht hat ihn das meiner Meinung nach nicht. Und nur wenn der Schüler sich so dämlich angestellt hat, dass die ganze Stunde herumzugehen drohte, ohne dass er zur richtigen Lösung kommt, wurde einer von den sich ununterbrochen meldenden Schülern drangenommen, und wenn der dann die richtige Lösung gesagt, hieß es nur „Ja ist richtig“, nix Krone.
Ich wollte diese Krone haben, aber egal wieviel ich mich gemeldet habe, egal wie schnell ich auf die richtige Lösung kam, egal wie gut ich war - keine Krone für mich. Manchmal habe ich das Gefühl, dass das ein dauerhaftes Trauma bei mir ausgelöst hat, oder vielleicht erkenne ich das Muster einfach nur sehr häufig wieder: Wer schlecht ist / Ärger macht / jammert, bekommt Hilfe, Unterstützung, Nachsicht, Empathie; wer gut ist, sich an Regeln hält und versucht, seine Probleme selbst zu lösen, bei dem ist es „ja klar“.