Hm, ich würde - als Laie - hier zwei unterschiedliche Themen sehen, die einfach den gleichen Begriff "Wahrheit" bekamen, aber eigentlich nicht das sind, was wir unter "Wahrheit" umgangssprachlich verstehen.
Nitzsche beschreibt im Prinzip wissenschaftliche Erkenntnisse und den Fortschritt wissenschaftlicher Untersuchungs- und Forschungsmethoden. Solange ich nichts von Atomen weiß, kann ich mir chemische Prozesse nur schwer erklären. Wenn ich etwas über Atome, Verbindungen, Bindungstypen usw. weiß, habe ich ein ganz anderes Bild. Kommt irgendwann die Quantenphysik dazu, kann sich das Bild wieder komplett ändern. Das heißt, wir wissen immer nur das, was dem Stand der Wissenschaft und unserem Wissen über diesen Stand entspricht - möglicherweise gibt es aber noch Aspekte eines Themas/ Vorgangs, die uns komplett unbewusst und unzugänglich mit dem derzeitigen Wissen und Forschungsstand, den derzeitigen Forschungsmethoden sind.
Mark Aurel befasst sich hier mMn eher mit dem logischen Nachvollziehen der subjektiven Argumente eines anderen Menschen. Kann der mir seine Sichtweise für mich nachvollziehbar erkläre oder fehlt mir dafür Wissen, Verständnis, evtl. auch die Bereitschaft, genau zuzuhören?
Wahrheit ist das mMn aber auch nicht, das ist eher die subjektive Haltung, Moral, Handlungsgrundlage.
Wenn zwei Menschen am gleichen Ort stehen, beide sehen können und die gleiche Sprache sprechen und die Sonne untergeht - und keiner den anderen bewusst provozieren oder anlügen möchte - würden sie sich darauf einigen, dass gerade die Sonne untergeht. Das wäre für beide eine Wahrheit, die auch wissenschaftlich beschrieben werden könnte (man könnte ein Video machen, man weiß, was der Sonnenuntergang astronomisch bedeutet).
Wenn aber einer nachvollziehbar erklärt, dass der Sonnenuntergang für ihn "romantisch" ist und der andere nachvollziehbar erklärt, dass der Sonnenuntergang für ihn mit keinem Gefühl verbunden ist, dann ist das für beide ihre subjektive "Wahrheit", die aber nichts mit objektiv messbaren Fakten, sondern rein mit den Erfahrungen, Bewertungen und Gefühlen beider Menschen zu tun hat.
Insofern würde ich, bezogen auf die aktuelle deutsche Umgangssprache, hier für beide Situationen bzw. Zitate nicht das Wort "Wahrheit" benutzen.
Ja, beide nennen die beschriebenen Situationen "Wahrheit", aber dann ginge es um IHRE Definition davon und um einen Begriff, den WIR heute dieser Definition geben würden.
Das wäre für mich: Logisches Nachvollziehen des Aussagen eines anderen Menschen und wissenschaftliches Weltbild anhand der aktuellen Forschung und ggf. dem Wissensstand eines Menschen, der gerade bestimmte Phänomene beschreibt.