Warum steigt die Temperatur der Luft, wenn man sie zusammendrückt?

6 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Um das zu erklären, muss ich etwas ins Detail gehen, weil da nicht selten auch Physiker und auch Physiklehrer fasche Begriffe verwenden, die unnötig zu Verwirrungen führen.

Alleine korrekt ist die Aussage: "Temperatur und innere Energie hängen direkt voneinander ab."

Falsch wäre eine Aussage: "Die Temperatur und die Wärmeenergie eines Körpers hängen direkt voneinander ab." Begründung: per Defintion besitzt ein Körper keine Wärmeenergie. Wärme ist immer nur die Energie, die aufgrund eines Temperaturunterschiedes die Systemgrenze überschreitet.

Nicht ganz falsch aber verwirrend wäre die Aussage: "Die Temperatur und die thermische Energie eines Körpers hängen direkt voneinander ab." Korrekt wäre das nur, wenn man "thermische Energie" nicht als Synonym für Wärmeenergie verwendet, was aber oft passiert. "Thermische Energien" ist ein Obergebriff und umfasst alle Energieformen, die an Wärme gekoppelt sind. Korrekt wäre daher eine Aussage "Die innere Energie ist eine Unterform der thermischen Energien".

Falsch wäre auch zu sagen: "Die innere Energie besteht aus der kinetischen Energie der Teilchen".

Tatsächlich besteht die innere Energie aus der kinetischen Energie plus der potenziellen Energie der Teilchen.

Potenzielle Energie ist definiert als "potenzielle Energie besitzt jeder Körper, der sich in einem Kraftfeld befindet". Das Kraftfeld, das bei den Teilchen in Frage kommt, ist deren gegenseitige Abstoßungskraft. Am besten kannst du dir das bildlich wie bei einer Feder oder bei gleichpoligen Magneten vorstellen. Die erzeugen auch jeweils ein Kraftfeld. Sobald die Teilchen sich nähern, nehmen die Abstoßungskräfte stark zu, ihre potenzielle Energie steigt. Diese Steigerung der potenziellen Energie ist verbunden mit einer Abnahme der kinetischen Energie, die Teilchen bremsen sich gegenseitig ab. Die Zunahme der potenziellen Energie bei Erwärmung drückt sich bei Flüssigkeiten und Festkörpern in der Volumenausdehung aus.

Bei idealen Gasen ist es so, dass durch die Kollisionen fast alle potenzielle Energie in kinetische Energie umgewandelt wird. Bei mäßigen Druck und Temperatur ist der Anteil der potenziellen Energie an der inneren Energie sogar sehr klein. Das Verhältnis verschiebt sich aber mit zunehmendem Druck zugunsten der potenziellen Energie, da der mittlere Teilchenabstand abnimmt. Das Problem liegt darin, dass es kein Verfahren gibt, weder mathematisch noch messtechnisch, festzustellen, wie sich die kinetische und die potenzielle Energie der Teilchen auf die innere Energie aufteilen. Das macht aber gar nichts, weil niemand etwas von diesem Wissen hätte.

So, nun kommen wir zu deinem Versuch. Sobald du den Kolben reindrückst, verringerst du den mittleren Teilchenabstand und erhöhst damit zunächst direkt die potenzielle Energie zwischen den Teilchen. Das wäre durchaus vergleichbar mit dem Spannen einer Feder. Sobald die Teilchen aber kollidieren, wandelt sich die von dir erzeugte potenzielle Energie sofort zum größten Teil in kinetische Energie der Teilchen um. Das wäre vergleichbar, dass du die gespannte Feder loslässt und damit eine Kugel beschleunigst.

Würdest du den Kolben extrem schnell hineinstoßen, würde die mechansiche Arbeit zwar ebenfalls zunächst in potenzielle Energie der Teilchen umgewandelt, aber die würden diese nicht sofort in kinetische Energie umwandeln, sondern die potenzielle Energie zwischen den Teilchen würde sich in Form einer Druckwelle bzw. eines Verdichtungsstoßes erhalten und erst wenn die Druckunterschiede ausgeglichen sind, hätte Epot sein Minimum erreicht. Beim sehr schnellen Verdichten würde allerdings auch nicht die gesamte mechanische Arbeit zunächst in Epot der Teilchen umgewandelt werden. Entstehen bei einem sehr dynamischen Vorgang Wirbel, wird dort ein Teil der mechanischen Arbeit auch direkt in Ekin der Teilchen gewandelt ohne Umweg über Epot.


Knochendochen13 
Fragesteller
 27.03.2018, 20:50

Wow! Vielen Dank, dass du dir so viel Zeit genommen hast, meinen Frage zu beantworten!

Einige Sachen verstehe ich aber nicht: Warum ist die innere Energie eine Unterform der thermischen Energien? Wenn man einen Stoff bis auf den absoluten Nullpunkt abkühlt hat er ja keine thermische Energie mehr, aber immer noch chemische oder nukleare. Und diese Energieformen zählen ja auch zur inneren Energie.

Und noch eine Frage: Warum wird das Volumen durch Zunahme der potentiellen Energie größer? Wenn sich die Teilchen nähern und ihre potentielle Energie zunimmt, warum sinkt dann nicht das Volumen, die Teilchen sind doch näher zusammen? Oder mache ich da einen Denkfehler?

Und beim Schmelzen von zum Beispiel Wasser steigt ja die Temperatur des Wassers nicht, bis alles alles Eis geschmolzen ist. Wie, in welcher Form steckt dann die zugeführte Energie im Wasser, wenn sie sich nicht in der Temperatur niederschlägt. In der potentiellen oder kinetischen Energie der Teilchen? Wenn sie in der potentiellen Energie der Teilchen stecken würde, würde das ja heißen, dass die Teilchen näher beieinander dein würden, was ja nicht der Fall ist. Und wenn sich die kinetische Energie der Teilchen erhöhen würde, würde sich ja die Temperatur erhöhen, was ebenfalls nicht der Fall ist. Zumindest war das mein Gedankengang. Ich bin mir aber sicher, dass ich da irgendwo einen Fehler gemacht habe.

Es würde mir sehr weiterhelfen, wenn du mir das beantworten würdest!

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Hamburger02  28.03.2018, 12:42
@Knochendochen13

Warum ist die innere Energie eine Unterform der thermischen Energien?

Weil ihre Größe von der Temperatur abhängig ist. Dem widerspricht nicht deine Überlegung zum absoluten Nullpunkt, denn der ist nach dem Nernstschen Wärmetheorem (3. Hauptsatz der Thermodynamik) ohnehin nicht erreichbar. Andere thermische Energien wären z.B. Wärme oder Enthalpie.

Ob man nun bei der inneren Energie die chemische und die Kernenergie berücksichtigt oder vernachlässigt, hängt vom konkreten Fall ab. Bei der Betrachtung rein physikalischer Vorgänge, also z.B. bei einem idealen Gas, spielen sie keine Rolle, da kann man sie vernachlässigen, da sie in jedem Zustand gleich sind. Bei der Betrachtung chemischer Reaktionen ändert sie sich, dann muss man sie auch berücksichtigen. Bei der Betrachtung von Kernreaktionen muss man natürlich auch die Änderung der Kernenergie betrachten. Dabei sind allerdings die chemische Bindungsenergie und die Kernenergie jeweils wieder Unterformen der potentiellen Energie.

Warum wird das Volumen durch Zunahme der potentiellen Energie größer?

Umgekehrt wird ein Schuh draus. Durch Verringerung des Volumens (Kolben reinschieben) nimmt Epot der Teilchen zu, wird aber durch die Stöße zwischen den Teilchen sofort in Ekin umgewandelt. Andersrum, wenn du den Kolben loslässt, schiebt er sich durch den Druck wieder nach Außen und leistet Arbeit. Vom System aus betrachtet ist das Volumenänderungsarbeit. Dabei verringert sich Epot der Teilchen, weil ihr mittlerer Abstand vergrößert wird, wobei die Änderung von Epot sofort wieder in ΔEkin umgewandelt wird, weshalb sich ein entspannendes Gas abkühlt.

Und beim Schmelzen von zum Beispiel Wasser steigt ja die Temperatur des Wassers nicht, bis alles alles Eis geschmolzen ist. Wie, in welcher Form steckt dann die zugeführte Energie im Wasser, wenn sie sich nicht in der Temperatur niederschlägt.

Beim idealen Gas ist die dominierende Kraft die Abstoßung der negativ geladenen Elektronenhüllen. Aber das ist ja nicht die einzige Kraft, die zwischen den Teilchen herrscht. Es gibt auch Kräfte, die anziehend wirken, wie z.B. die Wasserstoffbrückenbindung oder die Bindunsgkräfte innerhalb eines Kristalles, die ebenfalls zu den potentiellen Energien zählen (siehe auch Grundkräfte der Physik). Welche Kräfte dominieren, hängt vom Aggregatszustand und der Temperatur ab. Da sich diese verschiedenen potentiellen Kräfte bei jedem Zustand in ihrem Verhältnis zueinander ständig ändern und auch ihr Verhältnis zur kinetischen Energie der Teilchen, ist der Begriff der inneren Energie so enorm praktisch, weil diese alle Kräfte/Energien zusammenfasst und ihr jeweilige Anteil an der Gesamtenergie nicht mehr interessiert.

Beim Übergang von einem Aggregatszustand in einen anderen, wenn also die Temperatur gleich bleibt, verändert die zu- oder abgeführte Arbeit bzw. Wärme praktisch nur die potenzielle Energie der Teilchen, aber nicht ihre kinetische. Die sofortige Umwandlung von Epot in Ekin ist typisch für ideale Gase, gilt aber nicht für andere Aggregatszustände oder wenn sich Gase in der Nähe der Verdampfungstemperatur befinden und sich nicht mehr ideal verhalten. 

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Knochendochen13 
Fragesteller
 29.03.2018, 17:47
@Hamburger02

Vielen Dank, das hast du sehr gut erklärt, so dass ich es jetzt verstanden habe. Bist du Lehrer oder warum kennst du dich so gut aus?

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Hamburger02  29.03.2018, 18:47
@Knochendochen13

Ich habe bei einem der bedeutendsten Thermodynamiker der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts Thermodynamik im Hauptfach studiert. Die meisten Lehrer kennen sich nicht so gut aus, würde ich mal behaupten.

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Knochendochen13 
Fragesteller
 29.03.2018, 19:45
@Hamburger02

Ah Ok, ja das stimmt: Als ich meinen Lehrer nach diesem Problem fragte, konnte er mir auf dieses Problem auch keine eindeutige Antwort geben.

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Die kinetische Gastheorie beinhaltet, dass sich die Gasteilchen in ungeordneter Bewegung befinden. Dies wird auch als brownsche Molekularbewegung bezeichnet, d.h. Wärmebewegung von Teilchen. Die Teilchen vollführen dabei eine völlig regellose Zick-Zack-Bewegung.

Je höher die Temperatur des Gases, desto schneller bewegen sich die Teilchen und desto häufiger stoßen sie zusammen. Wenn das Gas komprimiert wird, bewegen sich die Teilchen ebenfalls schneller, was zu einem Temperaturanstieg führt.

Die Teilchen fliegen gegen den Kolben, der ihnen entgegenkommt. Dadurch werden sie mit einer etwas höheren Geschwindigkeit reflektiert. (Außerdem erzeugen diese Reflexionen an den Wänden bekanntlich den Gasdruck.)

Je Reflexionsvorgang ist das natürlich nur eine winzige Menge Energie, aber weil so oft ein Gasteilchen den Kolben trifft, wird dadurch eine größere Menge an Energie als kinetische Energie an das Gas übergeben.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Studium, Hobby, gebe Nachhilfe

Hamburger02  26.03.2018, 17:35

Die Temperatur nimmt aber auch bei einer quasistatischen Prozessführung zu, also wenn man den Kolben unendlich langsam reinschiebt.

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PWolff  26.03.2018, 19:26
@Hamburger02

Dann haben wir unendlich viele Stöße mit jeweils unendlich kleinen Geschwindigkeitsgewinnen. Fall unendlich * 0.

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Der Bewegunsraum der Teilchen wird Eingeschränkt, also muss die gesmmte Bewebungsenergie die in den Teilchen gesteckt hatte, nun mit weniger Raum auskommen. Wie wird das gemacht? Ganz einfach! In dem sich die Teilchen schneller bewegen um das auszugleichen.

Woher ich das weiß:Hobby – Laienwissen

Weniger Raum bei gleichvielen Teilchen = mehr Interaktion der Teilchen untereinander = höhere Temperatur?

Wär mein Denkansatz - kann mich aber auch irren.