Wie war es in West Berlin?

12 Antworten

Ich habe es selbst mehrere Male erlebt.

Ich wohne seit meiner Geburt in Berlin (West).

Wenn wir in den Urlaub gefahren sind mussten wir erst mal in Berlin zum Grenzübergang Dreilinden oder Heiligensee/Stolpe. Dort standen wir mit dem PKW und anderen PKWs zusammen in einer langen Warteschlange. Als erstes mussten alle Pässe bzw. Personalausweise der Fahrzeuginsassen abgegeben werden. Diese hat man einem Mitarbeiter der Passkontrolleinheit gegeben, der hat sie dann auf ein Transportband gelegt. Die Pässe liefen dann mehrere hundert Meter bis zu einem Kontrollhäuschen.

Dort wurde geprüft, ob die Fahrzeuginsassen Spione, Straftäter oder Terroristen waren, auch das Kennzeichen wurde notiert. Waren es friedliche Bürger, wurden die Personalausweise und Pässe dir wieder überreicht, wenn du mit dem Fahrzeug an dem Kontrollhäuschen angekommen bist. Dann durftest du ins Staatsgebiet der DDR einreisen.

Dann fuhr man über eine der drei Transitautobahnen bis zum Grenzübergang in der Nähe deines Ziels, in unserem Fall war das immer der Grenzübergang Helmstedt/Marienborn. Da lief das ganze, wie oben beschriebene Prozedere noch mal ab. Hat man die GüSt passiert, war man in Westdeutschland.

Ist man wieder Richtung Berlin gefahren, durchlief man den gesamten Kontrollprozess erneut.

Es gab drei Transitautobahnen für den Transitverkehr Richtung Westdeutschland.

Im Norden: Nach Hamburg.

Im Süden: Richtung Hof.

Im Westen/Mitte nach Helmstedt/Marienborn.

Nur diese drei Transitautobahnen durften genutzt werden für die Durchreise. Man hatte sein Ziel so schnell wie möglich zu erreichen und durfte nicht einfach so auf der Transitautobahn anhalten, außer an speziell ausgewiesenen Raststätten. Die Transitautobahn durfte auch nicht verlassen werden. Kontakte zu DDR Bürgern durfte man auch nicht aufnehmen. Das wurde überprüft. An der Transitstrecke standen zivile und und nicht zivile Kontrolleinheiten, auch die Rastplätze wurden überwacht.

Hat man doch gegen irgendwelche Auflagen verstoßen, gab es bei der Ausreise Ärger. Es konnte sogar passieren, dass man nicht mehr in die DDR einreisen durfte.

Ich weiß nicht mehr genau wie das war, ob wir irgendwelche Einreisebescheinigungen vorher beantragen mussten oder nicht. Das haben damals meine Eltern gemacht (ich war 5 oder 6 Jahre alt).

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

SchlimmerJimmy  03.10.2023, 20:51

Du hast den Grenzübergang Wartha-Herleshausen unterschlagen und bis 1982 den Übergang Heerstrasse über die B5 nach Lauenburg.

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ThomasM1982X  03.10.2023, 21:12
@SchlimmerJimmy

Waren die für den Transitverkehr von Personen von und nach Berlin gedacht? Wenn das so sein sollte, habe ich sie tatsächlich unterschlagen. Persönlich kenne ich nur die Grenzübergangsstellen Helmstedt/Marienborn und Rudolphstein/Hirschberg. Alles kann man nicht kennen.

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SchlimmerJimmy  03.10.2023, 21:22
@ThomasM1982X
Waren die für den Transitverkehr von Personen von und nach Berlin gedacht?

Ja, siehe meine Antwort.

Ich kannte alle Grenzübergänge.

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ENRA02  26.01.2024, 01:22

Wäre fliegen nicht viel einfacher gewesen? Was macht man wenn man bspw. eine Unfall hatte, man konnte ja nicht einfach in ein DDR Krankenhaus haben die einen mit dem Rubschauber geholt oder wie?

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In Westberlin war es gleichzeitig aufregend und kuschelig. Du konntest mehr oder weniger tun und lassen, was du wolltest und konntest dir mitten in der Stadt deine ruhigen Nischen suchen. Die Mieten waren nicht besonders hoch aber der Wohnraum war knapp, Westdeutsche, die nach Berlin zogen, konnten erst mal in Appartements unterkommen, bis sie was gefunden haben.

Beim Transit nach Westdeutschland waren die Kontrollen nervig, aber wir Westberliner waren vom unfreundlichen Auftreten der Grepos nicht sonderlich beeindruckt, wir kannten unsere Rechte. Den Wessis konnten sie mit ihrem Getue noch Angst einjagen.

Ab 1982 konnte man auf der DDR-Autobahn Richtung Hamburg schon mal ungestraft 150 fahren, man sah ja die Radarfallen kilometerweit im Voraus.

Im Spätherbst 1983 nachts um elf haben wir mitbekommen, was für einen Schrott die Sowjetarmee besass.

Wir fuhren mit einem total runtergerockten VW T3 Pritsche Richtung Herleshausen , als plötzlich vor Eisenach ein Uniformierter am Strassenrand stand und uns an den Rand winkte. Wie sich herausstellte, war das kein Vopo, sondern ein Major der ruhmreichen Sowjetarmee. Sein 20-Tonnen-Mannschaftsransporter hatte eine Panne und er wollte, dass wir ihn abschleppen. "Wolkswagen gutt!"

Was musste der ein Vertrauen in westliche Technik gehabt haben! Also taten wir aus Mitleid etwas Verbotenes, verliessen die Transitstrecke und nahmen ihn mit zum Stützpunkt. Wir brauchten freies Geleit zurück zur Autobahn, so fuhr der 20-Tonner, der den anderen abschleppen sollte, hinter uns her und der Major fuhr wieder mit uns im VW. Dann verschwand plötzlich der andere Lastwagen aus dem Rückspiegel. Das Kühlwasser des Lastwagen kochte, also musste der ab und zu anhalten. Das war der Augenblick, in dem unsere Angst vor den Russen schwand. Die kamen mit ihrem Schrott ja noch nicht mal zur Grenze!

Mit Auto oder Bahn auf den Transit-Strecken. Da musste man sehr aufpassen, dass die DDR einen nicht rauspickten. Die wollten gerne Devisen verdienen. Was man so alles falsch machen konnte.

Der Blutdruck ging nach dem Durchqueren dann deutlich runter. Es war eine Strecke mit erhöhter Anspannung. Spaß war auf der Seite der DDR auf keinen Fall zu erwarten, auch keine Diskussion.


sauidha4ssa3 
Fragesteller
 03.10.2023, 18:56

Wieso bist du dann durchgefahren wenn es gefährlich war ist ja eine Diktatur

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gogogo  03.10.2023, 18:58
@sauidha4ssa3

Bin selten durchgefahren. Aber wenn du nach West-Berlin willst. Dann achtest du darauf, alle Papiere mitzunehmen, vorher genug zu tanken, etc. Nur dass du nicht aneckst.

Es ist halt ein Abschätzen / Bewerten, was dir die Fahrt unter diesen Bedinungen wert ist.

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sauidha4ssa3 
Fragesteller
 03.10.2023, 19:01
@gogogo

Ok also war flugzeug sicherer? Zudem die die vor mauerbau von ostberlin nach westberlin umgezogen sind konnten die dann mit flugzeug raus in brd halt?

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gogogo  03.10.2023, 19:22
@sauidha4ssa3

Ab 1971 (?) konnten auch die Geflohenen wieder durch die DDR fahren, aber ob die DDR sich immer an Vereinbarungen hält, war nie 100% sicher. Zumindest ein sehr mulmiges Gefühl, noch stärker als für andere.

Dann lieber Flugzeug. Das war damals aber was Besonderes. Nicht so normal wie jetzt.

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ENRA02  26.01.2024, 01:27
@gogogo

Wie sieht es mit Fliegen aus oder Zug?

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Wenn Du mehr dazu wissen willst, solltest Du auf der Autobahn A 24 (Hamburg-Berlin) bis zum ehemaligen Grenzübergang Gudow/Zarrentin fahren. Dort sind die Abferigungsgebäude der DDR erhalten und als Gedenkstätte/Museum allgemein zugänglich. Was Du dort sehen kannst ist sehr viel anschaulicher als jeder Versuch, die damaligen Bedingungen zu beschreiben.


teper1209  06.10.2023, 21:25

Korrektur: Meine Erinnerung hat mich getäuscht, es ist nicht die A 24, sondern die A 2 (Hannover-Berlin). und der ehemalige Grenzübergang ist Helmstedt/Marienborn. - Sorry, falls ich mit meiner ersten Antwort jemanden in die Irre geführt haben sollte!

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Leider kann ich darüber nichts wissen: ein Bild veranschaulichte, wie man es in Westberlin mit der Mauer handhabte: da durften Bürger dicht an der Mauer sitzen und picknicken! Undenkbar von der Ostseite. Ich würde mal so die Idee anbringen: Youtube? Gab es nicht sogar Flugverkehr zwischen Westberlin und Westdeutschland? Irgendwie war mir so..Aus Interesse am damaligen Leben in Westberlin und auch Weszdeutschland schaue ich schon hin und wieder alte TV-Sendungen ("damals war es" oder ähnliches), Dokus auch.Nie vergessen: auf beiden Seiten der Mauer lebten Menschen! Und ob man nun gern in einem DDR-Land lebte oder nicht, an Ausreise oder Flucht dachte man in unserer Familie nicht, wir ließen uns von Omi und Opi erzählen, wenn die in Westberlin rüber durften und zu einer ganz bestimmten Zeit wieder rüber mussen: auch so ein Unsinn, jedenfalls für unsere Lieben: die hatten nicht vor, im Westteil für ewig zu bleiben!